HOCHSCHULLEBEN IN MAGDEBURG
INTERVIEW MIT STUDIENZENTRUMSLEITER PROF. DR. SPAETH (erschienen im DIPLOMAgazin Ausgabe 14)
INTERVIEW MIT STUDIENZENTRUMSLEITER PROF. DR. SPAETH (erschienen im DIPLOMAgazin Ausgabe 14)
Dr. Carsten Kolbe (CK): Sind Sie eher Science-Fiction-Fan oder mehr Psychologe? Der Name MEU deutet doch auf Parallelwelten hin. Der Begriff wird in der Psychologie manchmal verwendet, um Verhaltensweisen der Realitätsflucht zu bezeichnen, während Science-Fiction-Fans mehr an die Erforschung der unbekannten Weiten des Weltalls und deren Gefahren dabei denken.
Prof. Dr. Michael Spaeth (MS): Im Kern geht es bei Science-Fiction ja darum, wie sich zukünftige bzw. fiktionale Technikerrungenschaften aber auch wissenschaftliche Leistungen auf die Zukunft und das menschliche Zusammenleben auswirken könnten. Von daher sind Psychologinnen und Psychologen, wenn Sie denn wissenschaftlich forschen, sicherlich auch an Science-Fiction interessiert. Ganz konkret forschen wir ja gerade in Magdeburg an den Möglichkeiten der Virtual Reality zur unterstützenden Therapie von Angststörungen. Da ist der Bezug von fiktional anmutender Technik und Psychologie/Psychotherapie sehr klar. Privat bin ich durchaus auch Fan von Filmen des „Science-Fiction-Genre“. Aber auch da spielt die eigene „psychologische Brille“ rein. So nahm beispielsweise einer meiner Lieblingsfilme, der Filmklassiker „Blade Runner“ aus dem Jahre 1982, schon sehr früh das große Thema „Was ist eigentlich ein Mensch?“ auf. Die sogenannten „Replikanten“ in diesem Film sind „Androiden“, die wie Menschen fühlen, denken und handeln und dennoch werden sie von der menschlichen Gesellschaft gnadenlos verfolgt bzw. getötet. Die Grundsatzfrage „Was ist eigentlich ein Mensch? Was ist menschlich?“ wird unter anderem die Psychologie als wissenschaftliche Disziplin in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Quantensprünge in den Bereichen „Künstliche Intelligenz“ und „Robotik“.
CK: Die Gesamtheit aller Parallelwelten wird als Multiversum bezeichnet. Was bedeutet der Name MEU und welche Idee steckt dahinter?
MS: Unser vollständiger Name als Studienzentrum der DIPLOMA Hochschule und Kompetenzzentrum für Psychologie ist in der Tat: „MEU – Die Multiversität“. Tatsächlich spielt die „Multiversität“ seit der Gründung im Jahre 2016 namentlich darauf an, dass an der MEU Menschen aus den verschiedensten Lebenslagen- und situationen, alters- und gesellschaftsübergreifend zusammenkommen, um Psychologie zu studieren. Dies ganz im Gegensatz zu den sehr beschränkten Zugängen zum Psychologie-Studium an den staatlichen Hochschulen (Stichwort: numerus clausus). Von daher treffen hier wirklich unterschiedliche Welten bzw. Universen aufeinander, die sich dann ganz harmonisch zu einem gut funktionierenden „Multiversum“ während des Studiums verschmelzen. Das ist in hervorragender Weise in unseren sehr harmonisch laufenden Präsenzphasen erkennbar, die immer zu Beginn des Semesters in Magdeburg oder München stattfinden und den „realen“ Auftakt des Onlinestudiums markieren. Es ist schön zu sehen, dass menschliche Vielfalt gut in einem System bzw. Universum funktionieren kann. Was das Akronym „MEU“ betrifft, so wollen wir bewusst weiter ein Geheimnis darum machen… Das passt ja irgendwie auch zum mystisch-futuristischen Anstrich des Interviews. Obwohl: Empowerment ist auf jeden Fall ein Bestandteil der Abkürzung. Der Rest bleibt vorerst ein Geheimnis, resultierend aus der frühen Gründungszeit der MEU.
CK: Machen wir es einmal konkret. Ein Student beschwert sich, er konnte an seiner mündlichen Prüfung nicht teilnehmen, da er in einer Parallelwelt auf die Prüfenden gewartet hatte. Für die richtige Ausschilderung sei aber nun wirklich die MEU verantwortlich. Folgen sie dieser Argumentation?
MS: Da fällt mir ein Buchtitel des Gründervaters der MEU (Prof. Dr. Meinrad Armbruster) ein: „Selbermachen! Mit Empowerment aus der Krise“. Der Student hat also sicherlich noch nicht das „Empowerment-Seminar“ in unserem Masterstudiengang besucht. Dann wüsste er nämlich, dass wir auf fehlende Verantwortungsübernahme allergisch reagieren. Haaaatschiieee… Einmal zurück in die Parallelwelt und das Empowerment-Buch sowie Empowerment-Begleitheft lesen, bitte!
CK: Eine Kollegin ruft Sie panisch an, dass eine Studentin bei einem Theorie-Praxis-Transfer in einem Paralleluniversum verloren gegangen sei? Was tun sie?
MS: Ich würde ihr (freilich nach ausreichender psychotherapeutischer Validierung der Angst der Kollegin) mitteilen, dass dort bereits ein Student der MEU sitzt, der den fließenden Übergang zwischen der hiesigen Welt und der Parallelwelt exzellent beherrscht. Erkennbar ist der Student an einer aktuellen Ausgabe des Empowerment Buchs von Herrn Professor Armbruster. Nach einer gemeinsamen Empowerment-Sitzung im „Breakout- Room“ werden die beiden Studierenden sicherlich wieder in den Hauptraum bzw. in unser Universum kommen.
CK: An der MEU wird geforscht. Ein Projekt beschäftigt sich mit der Virtual Reality in der ambulanten psychotherapeutischen Behandlung von Ängsten (VIP-VR). Liege ich mit meiner Vermutung richtig, dass Sie hier mit einer Form von Parallelwelten über die VR-Brille arbeiten? Bitte laienverständliche, anschauliche Antwort.
MS: Die VR-Situationen sind so programmiert und mittels einer VR-Brille erlebbar, dass sie typische angstbesetzte Situationen von Angstpatient*innen aus der realen Welt bestmöglich in der virtuellen Welt darstellen, inklusive der oftmals angstbesetzen menschlichen Kommunikation in diesen Situationen. Man kann sich das von der Qualität der Grafik wie ein hochmodernes Computerspiel vorstellen, ergänzt um den 3D-Effekt der VR-Brille. So kann eine Patientin mit Vortragsangst in der virtuellen Welt ein Referat vor 20 Menschen in einem Seminarraum halten und die Psychotherapeutin kann gleichzeitig regulieren, welche Fragen im virtuellen Seminarraum gestellt werden und wie freundlich die virtuellen Zuhörer*innen gegenüber der Referentin/Patientin sind, die die VR- Brille trägt. Übrigens sind die Psychotherapeut*innen immer bei den VR-Therapien in nächster Nähe zu den Patient*innen und steuern die Intensität der VR-Situationen, auch um genügend Angst in den Patient*innen auszulösen. Erst wenn das Angsterleben in der virtuellen Welt ausreichend stark ist, setzt ein heilsamer Gewöhnungseffekt ein, den wir in der Fachsprache „Habituation“ nennen. Es gibt viele weitere kleine virtuelle Situationen (fremde Menschen auf dem Rathausplatz ansprechen, Polizeikontrollen, ein kaputter Fahrkartenautomat in der Rush Hour), die für Menschen mit sozialen Ängsten in der virtuellen Welt sehr realitätsnah dargestellt werden können, damit die Patient*innen sich diesen Situationen aussetzen können, um nach und nach die Angst in der realen Welt zu verlieren (sog. „Angstexposition“). Auch Szenen, die eine Panikattacke auslösen, können in der virtuellen Welt täuschend echt simuliert werden, wie z.B. eine vollbesetzte U-Bahn, die im Tunnel stehenbleibt oder gar ein ruckelnder Fahrstuhl. Im Grunde geht es eben nicht darum, in eine Parallelwelt abzutauchen, sondern die tatsächliche Welt so nah wie möglich im Dienste der Patient*innen darzustellen, damit man dann in der realen Welt besser mit den eigenen Ängsten zurechtkommt. Dazu bedienen wir uns der virtuellen Simulation und das führt dazu, dass Patient*innen eine niedrigere Hemmschwelle haben, sich ihrer Angst tatsächlich mal „praktisch“ auszusetzen. Die Alternative wäre, die problematischen Szenerien, die ich eben genannt habe, tatsächlich in der realen Welt in Begleitung der Psychotherapeut*innen zu erleben. Dies wird auch tatsächlich in der konventionellen Psychotherapie so gemacht, bedeutet aber für beide Seiten einen sehr hohen zeitlichen und organisatorischen Aufwand. Viele Patient*innen scheuen sich zudem vor diesem Schritt und die Psychotherapie verzögert sich somit. Hier hilft uns also die VR-Simulation, den Patient*innen relativ niedrigschwellig effektiv zu helfen. Dabei steht die VR-Technik ganz klar im Dienst der Erfordernisse aus der realen Welt und hat sich an ihr zu orientieren.
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